Gaslighting: ein schockierendes Interview über Psychoterror & Manipulation am Arbeitsplatz

Gaslighting: ein schockierendes Interview über Psychoterror & Manipulation am Arbeitsplatz

Als junge 33-jährige Angestellte auf mittlerer Führungsebene in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei einem deutschen Kreditinstitut sollten sich die Sorgen um den beruflichen Alltag und die weitere Karriere eigentlich in Grenzen halten. So war es auch lange Zeit für Jasmin W., die nach ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau und ihrem berufsbegleitenden Studium mit viel Selbstbewusstsein ob ihrer Fähigkeiten und reichlich Arbeitseifer einem aussichtsreichen beruflichen Werdegang entgegenblickte. Das alles ist Geschichte, denn Sie musste Gaslighting am eigenen Leib erfahren.

Aktuelle Situation

Jasmin W. befindet sich aufgrund ihrer beruflichen Situation aktuell in psychotherapeutischer Behandlung. Ihr innerhalb Ihres Betriebs ehemals hervorragender Ruf als „High-Performerin“ ist dahin, ihre Position als teamleitende Führungskraft wird sie in naher Zukunft für einen Stelle als Sachbearbeiterin ohne Führungsverantwortung in einer neuen Abteilung aufgeben; zudem kämpft sie um ihre Gesundheit, die unter durch ihren Vorgesetzten forcierten Leistungsdruck und der Angst, den beruflichen Anforderungen einmal nicht gerecht werden zu können, stark gelitten hat – und dies inmitten ihrer Schwangerschaft.

Jasmin W. ist jedoch keinesfalls ein Opfer von Gaslighting, aber zweifelsohne eine Geschädigte. Ursache ihrer derzeitigen Situation sind Ereignisse, die sie sowie auch ihr Therapeut unter dem Begriff „Gaslighting“ klassifizieren. Unter dem Einfluss eines narzisstisch veranlagten Vorgesetzten wurde Jasmin W. sukzessive und auf subtile Art und Weise manipuliert, bis ihr Selbstbewusstsein sowie ihre Selbstwahrnehmung trotz hoher Leistungsperformance auf ein Minimum sanken.

Wie perfide die Manipulationstechnik Gaslighting ist, für die in drastischer Formulierung die Bezeichnung Psychoterror gerechtfertigt ist, erklärt die Verhaltensmathematikerin Barbara Lampl in einem persönlichen Video-Gespräch und wird ferner durch die Schilderungen Jasmin W. (Betroffene) in einem erschreckenden Interview deutlich.

Was ist Gaslighting?

Gaslighting beschreibt eine Form psychischer Gewalt, die als Manipulationstechnik auf die sukzessive Destruktion von Selbstwahrnehmung und Realitätsbewusstsein einer Person abzielt. Lange Zeit wurde Gaslighting als ein Phänomen betrachtet, das nahezu ausschließlich innerhalb romantischer Liebesbeziehungen zweier Menschen auftrete. Mittlerweile wird Gaslighting jedoch auch häufig im beruflichen Alltag beobachtet, wo es aufgrund von hierarchischen Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen zu einer besonders schwerwiegenden psychischen Belastung für Betroffene mit nachhaltigen gesundheitlichen Folgewirkungen werden kann.

Betroffene im Interview: Junge Angestellte berichtet über ihre Erfahrung mit Gaslighting

Das folgende Interview erfolgte im direkten persönlichen Gespräch. Aus Sorge um ihren Arbeitsplatz und negative berufliche Konsequenzen wurde dem Wunsch der Interviewpartnerin nachgekommen, im Folgenden nicht ihren wahren, sondern einen fiktiven Namen zu verwenden. Alle anderen Passagen entsprechen im Wortlaut den Fakten und Aussagen, wie sie im Interview formuliert wurden, und werden im Folgenden vollständig sowie unverändert wiedergegeben.

Hallo Jasmin, erst einmal ein großes Dankeschön, dass du dich überhaupt bereiterklärt hast, im MEGA-Magazin so offen über deine sehr persönlichen Erfahrungen zu berichten, die du leider mit Gaslighting sammeln musstest.

Hallo! Ich freue mich, endlich eine Gelegenheit zu haben, auch außerhalb meiner psychotherapeutischen Sitzungen und nicht nur im Freundes- und Verwandtenkreis so eventuell auch anderen Betroffenen berichten zu können, wie folgenschwer es sein kann, über eine lange Zeit und explizit im Beruf den Mechanismen von Gaslighting ausgesetzt zu sein.

Erzähle aber doch vorerst etwas über dich und deinen beruflichen Werdegang.

Ich bin mittlerweile 33 Jahre alt und als Teamleiterin in einer Führungsposition bei einem deutschen Kreditinstitut angestellt. Bereits meine Ausbildung zur Bankkauffrau habe ich nach dem Abitur bei meinem jetzigen Arbeitgeber erfolgreich absolviert. Deswegen, aber zusätzlich wegen seines hohen sozialen Engagements fühlte ich mich dem Unternehmen persönlich sehr verbunden. Ich war immer stolz, eine Angestellte dieses Unternehmens zu sein. Zudem finanzierte mein Betrieb sogar mein berufsbegleitendes Bachelorstudium, weswegen ich mich meinem Arbeitgeber bis heute verpflichtet fühlte.

Hat sich dies denn mittlerweile geändert?

Tatsächlich nicht, was ironischerweise auch einer der Gründe war, weswegen ich überhaupt durch Gaslighting-Techniken manipuliert werden konnte, wie mir mittlerweile bewusst ist. Grundsätzlich kann ich wie wohl wenige andere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit Überzeugung sagen, dass mir mein Job stets Freude bereitete. Ferner genießt man als Mitarbeiter in meinem Betrieb einige Benefits, die es ansonsten nur noch selten bis gar nicht zu finden gibt. Einen Arbeitgeberwechsel hätte ich mir daher lange Zeit nicht vorstellen können.

Das bedeutet demnach, dass du in jüngster Vergangenheit auf Jobsuche warst? Wie kam es dazu?

Damit sind wir dann wohl beim Thema angelangt. Dazu muss ich etwas weiter ausholen.

Kein Problem.

Welch Glück! (lacht) Also, ich bin jetzt circa anderthalb Jahre als Teamleiterin und somit wie gesagt als Führungskraft in meiner Abteilung beziehungsweise Gruppe tätig. Zuvor fungierte ich als personelles Bindeglied zwischen der Führungsetage, also dem Vorstand, und den jeweiligen Abteilungen. Da es in dieser Funktion aber ab einem gewissen Punkt keinerlei berufliche Entwicklungsmöglichkeiten für mich gab, bin ich in meine jetzige Abteilung gewechselt. Dort füllte ich zum ersten Mal eine Führungsposition aus, für die ich mich über ein zuvor erfolgreich absolviertes Prüfungsverfahren für junge potentielle Führungskräfte nachweislich qualifizierte.

Man könnte demnach behaupten, dass du eine karriere- und zielbewusste Frau warst?

Das bin ich noch immer! Ich stamme aus einer Familie, die vor langer Zeit nach Deutschland eingewandert ist, ich selbst bin aber in Deutschland aufgewachsen, lediglich mein Nachname lässt noch darauf schließen. Wie es für eingewanderte Familien oftmals üblich ist, waren wir finanziell lange nicht auf Rosen gebettet. Meine Mutter lehrte mir allerdings, dass Armut für mich kein in Stein gemeißeltes Schicksal sein muss, sofern ich meine Ziele mit Fleiß und Willenskraft zu erreichen versuche. Gegen Ende meiner Schulzeit übte ich parallel zur Schule deswegen auch drei kleinere Nebenjobs aus. Andernfalls wären mir einige schöne Erfahrungen, die für viele meiner damaligen Freude mitunter selbstverständlich waren, verwehrt geblieben.

Das alles ist beeindruckend und klingt nach hervorragenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn. Diese ist nun aber ins Stocken geraten. Erzähl, was ist passiert?

Das ist eine gute Frage, auf die ich lange Zeit keine oder eher: eine falsche Antwort hatte. Doch ich beginne besser am Anfang. Erst einmal sollte man wissen, dass ich die zuvor erwähnte Eignungsprüfung für Führungskräfte besser – oder sagen wir: zumindest gleichgut wie viele meiner männlichen Kollegen abgeschlossen habe. Trotzdem stehen einige von ihnen in meinem Betrieb auf der Karriereleiter über mir, sie sind bereits Gruppenleiter oder gar stellvertretende Abteilungsleiter. Aber darum geht es hier gar nicht vordergründig.

Für mich wesentlicher ist der Umstand, dass ich bis heute zwar als Führungskraft fungiere, ich allerdings nicht das für diese Position vorgesehene Gehalt bekomme. Seit Beginn meiner neuen Tätigkeit wurde ich von meinem direkten Vorgesetzten immer wieder vertröstet, und immer waren es andere Gründe, warum eine mir in meiner Position zustehende Gehaltsanpassung warten müsse, beispielsweise Kostengründe. Kurioserweise wurden mittlerweile neue Mitarbeiter eingestellt, die hierarchisch unter mir stehen, deren Führungskraft und Vorgesetzte ich also bin, die aber mehr verdienen als ich.

Derlei Versprechungen gab es über ein ganzes Jahr immer wieder. Mittlerweile will er davon aber nichts mehr wissen bzw. will solche Aussagen nie direkt getätigt haben. Angeblich hätte ich seine Worte falsch interpretiert oder etwas Falsches angenommen. Solche Dinge sind sehr frustrierend und haben mich auch immer wieder ins Grübeln gebracht, ob ich eventuell doch etwas falsch verstanden hätte. Genau das ist aber sozusagen der perfide Trick.

blank

Gaslighting zielt in der Regel auf Konfusion bei geschädigten Personen ab. Diese Verwirrung entsteht meist aufgrund von Lügen bzw. getätigten Aussagen, die von einer manipulierenden Person immer wieder revidiert oder als unwahr dargestellt werden, bis eine andere Person in starke Selbstzweifel gerät und ihre Wahrnehmung und Realität infrage stellt.

Ich ahne, dass da noch einiges mehr war, oder?

Natürlich, andernfalls würden wir ja über das Gendergap reden. Schwerwiegender für mein psychologisches Wohlbefinden und demnach für meine Gesundheit sowie mein Leistungsvermögen waren viele weitere Gespräche und Handlungen meines direkten Vorgesetzten, der, wie ich nun weiß, ein Narzisst ist. Dies ist mir allerdings erst kürzlich bewusst geworden, da sich erst allmählich offenbart, mit welchen perfiden Manipulationstechniken er mich über mittlerweile ein Jahr für seine persönlichen beruflichen Zwecke und Ziele ausgenutzt hat.

blank

Handlungen, die unter Gaslighting fallen, können nur von Personen ausgeübt werden, zu denen eine geschädigte Person entweder ein großes Vertrauen besitzt oder die für eine geschädigte Person als Autorität gilt, beispielsweise im Falle weisungsbefugter Vorgesetzter im Berufsleben. Da Gaslighting nicht zufällig und unterbewusst angewandt wird, sondern eine bewusste und zielgerichtete Manipulation beschreibt, ist diese häufig bei narzisstisch veranlagten Personen zu beobachten; auch Personen mit einer Neigung zum Kontrollzwang oder Mikromanagement greifen häufig zu Gaslighting.

Kannst du das an einem konkreten Beispiel verdeutlichen?

Auch an Unzähligen! Nehmen wir mein letztes Feedbackgespräch. Dazu sei vorab gesagt, dass er mir aufgrund meiner außerordentlich guten Leistungen, das waren seine Worte, permanent in Aussicht gestellt hatte, seine Position als Gruppenleiter zu übernehmen, also erneut befördert zu werden, sobald er selbst befördert wird, was nach seinen Aussagen festgestanden habe, nur der Zeitpunkt sei unklar gewesen. Um meinen Karriereaufstieg sicherzustellen, würde er dem Vorstand sowie unserem Abteilungsleiter regelmäßig über meine Arbeit berichten und stets hervorheben, dass die Arbeitsergebnisse, die er für gewöhnlich allein präsentieren wollte, ganz oder größtenteils meine Leistungen sind.

Jüngst habe ich nun aber erfahren, dass weder jemals eine Beförderung für mich vorgesehen war, noch dass meine Leistungen auch nur ein einziges Mal als solche nach oben kommuniziert wurden. Tatsächlich hat er sämtliche Arbeitsergebnisse als seine eigenen dargestellt und mich obendrein als „nicht belastbar“ oder „überfordert“ bezeichnet.

Das ist tatsächlich kaum zu fassen. Aber mit Gaslighting hat dieses zugegeben anstandslose Verhalten im Grunde noch nichts zu tun, oder?

So gesehen ist dies korrekt. Das ändert sich allerdings, wenn klar wird, wie es überhaupt dazu gekommen ist. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass ich aufgrund der zahlreichen Projekte, die mein Vorgesetzter auf eigene Initiative umsetzen wollte, die ich aber oftmals fast allein zu realisieren hatte, derartig überlastet war, dass konsequenterweise das Alltagsgeschäft manchmal zu leiden hatte und ich beispielsweise einige Termine nicht einhalten konnte. Logischerweise wies ich ihn häufiger darauf hin, dass die Extraarbeit ganz einfach nicht in der normalen Arbeitszeit zu schaffen sei; und hier setzte seine Manipulation immer wieder an.

Erst redete er mir zum Beispiel ein, dass ich, möchte ich denn beruflich vorankommen, auch überdurchschnittlich performen müsse, ein zeitliches Problem könne es dabei nicht geben, da Führungs- und Personalaufgaben ja „nebenbei“ abzulaufen hätten, wie er immer betonte. Würde ich dies dann nicht hinbekommen, wäre ich meiner Rolle ganz einfach nicht gewachsen. Also habe ich es immer irgendwie hinbekommen. Daraufhin berichtete er mir meist, wie beeindruckt die Führungsetage von meinem Eifer und Leistungsvermögen sei. Das war das System Zuckerbrot und Peitsche.

blank

Unter Gaslighting fallen Handlungen einer Person, physischer wie auch kommunikativer Art, die darauf abzielen, die Realitäts- und Selbstwahrnehmung einer anderen Person soweit zu demontieren, bis diese meist für egoistische Zwecke manipuliert und ausgenutzt werden kann.

Ich verstehe, aber kannst du noch etwas konkreter auf seine Manipulationen eingehen und erklären, warum es sich dabei um Gaslighting handelte?

Um dies verstehen zu können, muss man vorab mich und meine Persönlichkeit genauer kennen, was er zum Teil tat, da wir uns etwas länger kennen. Er weiß zum Beispiel über mein hohes Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein sehr gut Bescheid. Um meine Performance also sicherzustellen, streute er, wenn ich einmal Anzeichen von Ermüdung zeigte oder es schien, dass ich außerordentliche Aufgaben nicht fristgerecht fertigstellen könnte, Phrasen wie „Ich bin sehr enttäuscht von dir“ oder „Das hätte ich dir eigentlich problemlos zugetraut“ ein. Ein anderes Mal sagte er Sätze wie „Wir haben den Termin aber zugesagt, es wäre unverantwortlich, diesen nicht einzuhalten“ oder „Das Projekt wurde uns aus gutem Grund überantwortet, nun sind wir auch verpflichtet, dieses Vertrauen zu rechtfertigen und es ordentlich umzusetzen“.

Mit solchen Plattitüden, unsachlichen Aussagen und mitunter schlicht und einfach gesagt seinen Lügen und Falschaussagen hat er mich leider immer wieder dazu gebracht, selbst bei Erschöpfung oder Überarbeitung weiterhin auf hohem Niveau zu arbeiten, mehr und mehr Überstunden zu machen, anstatt nein zu sagen. Er hat permanent die Wahrheit verdreht und dadurch die Wahrnehmung meiner Situation verändert. Letztlich waren es ja niemals „wir“, sondern allein er, der nicht realisierbare Deadlines ohne Absprache zusagte oder außerordentliche Projekte in die Gruppe holte, mit denen nur er sich profilieren wollte und konnte, die aber entweder ich allein oder zusammen mit meinem Team umsetzten musste. Ich hatte mit seinen Entscheidungen vorab meist gar nichts zu tun, wurde vor vollendete Tatsachen gestellt und durch Manipulation zu Akzeptanz und Mitarbeit gedrängt.

blank

Gaslighter drängen dich vor allem im Beruf entweder bewusst in Situationen, in denen Fehler unvermeidbar sind, oder warten auf Situationen, in denen du in Ausnahmen einen Fehler begehst, um dir diese daraufhin vorzuwerfen und auf diese Weise dein Selbstbewusstsein zu schmälern.

Und das alles ohne Gehaltsanpassung?

Ja, wie ich sagte. Zuletzt hieß es dann, dass meine Arbeitsleistungen die Anpassungen nicht rechtfertigten, welche mir als Führungskraft aber schon allein nach tariflicher Vereinbarung zustehen – und das nicht erst seit jetzt. Zudem wird auch mit meiner Erkrankung argumentiert, die ironischerweise ja erst wegen Überlastung entstanden ist, nun aber so gedeutet wird, dass ich grundsätzlich nicht belastbar und daher auch nicht für meine jetzige Führungsposition geeignet sei.

Dies ist aber auch nicht verwunderlich, da ja nie jemand von meiner tatsächlichen Arbeitsleistung etwas mitbekommen hatte, ganz im Gegenteil. Auf Abteilungsleiterebene war stets nur bekannt, dass ich nicht einmal das Alltagsgeschäft termingerecht abwickeln könne. Und da mein Vorgesetzter mich seit dem Abteilungswechsel isolierte und jedwede Kommunikation nach oben allein über ihn erfolgte, habe ich keinerlei Chance, das vorhandene Bild von mir zu ändern. Für mich gab es schlussendlich nur den Weg eines erneuten Abteilungswechsels.

Und wie hat dein Vorgesetzter auf den Wechsel reagiert? Hast du ihn jemals direkt konfrontiert und hat er dich daraufhin widerstandslos ziehen lassen? Immerhin scheinst du gewissermaßen das Zugpferd seiner Karriere gewesen zu sein, und das dürfte für ihn nicht einfach zu ersetzen sein.

Das könnte man wohl so ausdrücken. Ich habe ihm vor einigen Wochen persönlich mitgeteilt, dass ich in eine andere Abteilung wechseln möchte und ihm im Zuge dessen auf sachliche Art und Weise meine Beweggründe genannt. Die größte Schwierigkeit für mich war, ihn dabei nicht persönlich anzugreifen. Ich konnte ihn nachvollziehbarerweise nicht als Narzissten oder systematischen Lügner anklagen. Das liegt vor allem darin begründet, dass er mich nahezu vollständig isoliert hatte über einen sehr langen Zeitraum. Viele seiner Machenschaften und Lügen wurden mir lediglich auf inoffiziellem Wege bekannt, manches hätte ich gar nicht wissen können und dürfen.

Wörtlich hatte er auf meinen Wechselwunsch mit dem Satz „Es lief doch so gut, wo sind wir denn nur falsch abgebogen?“ reagiert, sagte aber, er würde mir keine Steine in den Weg legen, wenn dies mein Wunsch sei. Ich müsse mich aber natürlich selbst auf eine intern ausgeschriebene Stelle bewerben. Natürlich hatte ich vor dem Gespräch bereits die Stellenausschreibungen durchgesehen und etwas Passendes gefunden. Auch mit der Personalabteilung und dem Betriebsrat war alles abgesprochen, zudem war mein Arbeitstisch sozusagen leer, alle Aufgaben waren abgearbeitet, sodass ich theoretisch im folgenden Monat die Abteilung hätte wechseln können.

blank

Gaslighting läuft in der Regel subtil ab und wird sukzessive durch mehrfache Handlungen und Kommunikationssituationen über einen langfristigen Zeitraum ausgeübt. Einzelne bzw. unregelmäßige Ereignisse sind noch kein Gaslighting, selbst wenn diese manipulativ sind. Gerade aus diesem Grunde wird dich ein Gaslighter aber meist nicht freiwillig „vom Haken lassen“, stattdessen aber versuchen, dich möglichst solange zu manipulieren und auszunutzen, bis es deine Gesundheit nicht mehr zulässt.

Lass mich raten, dazu kam es aber nicht?

Natürlich nicht. Prinzipiell hatte er in diesem Fall auch nicht gelogen, er hat mir auch keine Steine in den Weg gelegt, eher waren es ganze Felsbrocken. Konkret kam es sodann zu einem Treffen zwischen der Personalabteilung, meinem Vorgesetzten und meinem potentiell neuen Abteilungsleiter, an dem ich jedoch nicht teilnehmen durfte und über dessen gesamte Inhalte ich nichts wissen durfte, was mir bis heute merkwürdig erscheint, da es um meine berufliche Zukunft ging und ich immer noch ein Mensch und kein Gegenstand bin.

Jedenfalls war das Ergebnis dieses Meetings, dass mein Vorgesetzter mich frühestens nach einem Jahr gehen lassen wollte, weil angeblich noch zu viele unerledigte Aufgaben auf meinem Platz lagen, was faktisch unwahr ist. Da mein neuer Abteilungsleiter die offene Stelle aber zwingend besetzen musste, sollte ich trotzdem schon parallel in meiner neuen Abteilung tätig sein. Deren Ideallösung war es nun, mir den Stellenwechsel frühestens in einem Jahr zu ermöglichen und mir als Übergangslösung einfach zwei Arbeitsplätze zu übertragen.

Selbstverständlich bin ich umgehend gegen diese Entscheidung vorgegangen und hatte deswegen vorgeschlagen, ein weiteres Meeting mit den alten Beteiligten, aber zusätzlich mit mir einzuberufen. Dann hätte ich nämlich die Möglichkeit, zu den unwahren Behauptungen meines Vorgesetzten, es seien noch unerledigte Aufgaben vorhanden, Stellung zu beziehen. Diesen Vorschlag bügelte er allerdings ab, indem er mir kurz und knapp entgegnete, dafür sehe er keinen Bedarf. Es wurde für mich auch immer offensichtlicher, dass er meinen Wechselwunsch anscheinend persönlich nahm. Zwischenzeitlich warf er mit tatsächlich vor, ihn im Stich gelassen zu haben.

Um aber eines nochmals festzuhalten: Ich hatte die Personalabteilung vorab über den wahren Grund meiner Wechselabsicht informiert, was denen glaubhaft erschien, da der Wechsel de facto ein Karriererückschritt gewesen wäre. Sie wusste also auch von meinem gesundheitlichen Zustand und der Überlastung. Jetzt sollte ich aber nicht nur meinen alten Job behalten, sondern zusätzlich noch einen weiteren ausfüllen, und ich sollte mich dem Psychoterror noch ein weiteres Jahr aussetzen.

blank

Gerätst du mit einem Gaslighter insbesondere auf professioneller, beruflicher Ebene in Konfrontation, wird er den Disput selbst bei sachlicher Argumentation oder bei beruflichen Angelegenheiten immer auf eine persönliche, zwischenmenschliche Ebene transferieren.

Also füllst du aktuell tatsächlich zwei Stellen aus?

Ja, ich versuche es. Faktisch läuft es gerade so ab, dass ich mich in die fachlichen Themen meiner neuen Abteilung einarbeite, aber permanent für meinen alten und quasi immer noch Vorgesetzten auf Abruf bereitstehen muss. Wenn er also entscheidet, dass er mich braucht oder irgendwo einsetzen will, kann ich das nicht ablehnen.

Das ist kaum zu glauben. Wie kann solch eine Konstellation von oben abgesegnet werden? Ich stelle mir ohnehin die Frage, warum das Verhalten deines Vorgesetzten solange nicht aufgefallen ist. Du warst ja sicherlich nicht die erste Person, die unter seinem manipulativen Verhalten zu leiden hatte.

Das habe ich mich auch gefragt. Ganz allgemein besitzt dieser Mensch bei vielen meiner Kollegen und Kolleginnen einen gewissen Ruf. Mit manchen bin ich auch sehr gut befreundet und konnte meine Situation daher im privaten Rahmen besprechen. Verwundert war keiner von ihnen. So habe ich dann auch erfahren, dass dieser Mann persönlich und familiär mit unserem Vorstandsvorsitzenden verbandelt ist, was dann womöglich doch einiges erklärt.

Letztlich ist es auch kein Geheimnis, dass mein Vorgesetzter seine Mitarbeiter bildlich gesprochen verbrennt. Dies lässt sich beispielsweise an der Krankenstandsquote seiner Mitarbeiter ablesen, die knapp dreimal so hoch ist wie in allen anderen Abteilungen meines Betriebs. Ich hatte auch Kontakt zu einigen meiner Vorgänger. Einer von ihnen hat im Grunde dasselbe wie ich erlebt und musste mit Burnout seinen Beruf aufgeben. Ein anderer hat seine Position bereits nach zwei Monaten wieder aufgegeben, und sie alle nannten als Grund das Verhalten meines und ihres ehemaligen Vorgesetzten.

Aber immerhin wurde dir so bestätigt, dass du dir die Manipulation nicht einbildest. Doch wie geht es denn nun weiter? Wie du mir bereits vorab erzählt hattest, bist du schwanger. Deine gegenwärtige Arbeitssituation könnte auch für dein Kind gefährlich werden.

Das stimmt, allerdings habe ich auch durch Familie und Freunde großen Rückhalt erfahren. Zudem befinde ich mich in psychotherapeutischer Behandlung. Mein Arzt hat mir sehr dabei geholfen, die Mechanismen einer systematischen Manipulation, wie sie bei mir angewandt wurde und die als Gaslighting bezeichnet wird, zu verstehen. Gemeinsam hatten wir darauf den Beschluss gefasst, dass ein Wechsel in eine andere Abteilung oder gar in ein anderes Unternehmen die einzige Lösung sein kann.

Als mein Arzt kürzlich von meiner Schwangerschaft erfuhr, hat er mir ebenfalls klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass ich mich und mein Kind dieser und schon gar keiner Doppelbelastung aussetzen dürfe. Sollte sich an meiner Situation also nicht in naher Zukunft etwas ändern, dann müsste er mir zum Schutz ein Beschäftigungsverbot verordnen, noch bevor ich in den Mutterschutz übergehen würde.

Ich bin kein Arzt, aber das klingt auch für mich sehr ratsam, auch wenn es schändlich ist, dass du und nicht der Gaslighter gehen muss.

Tja, was soll ich dazu sagen. Ich kann nur hoffen, dass der oder die Nächste nicht so lange unter ihm zu leiden hat wie ich. Dies war auch der zentrale Beweggrund, weswegen ich diesem Interview zugestimmt habe. Niemand sollte durch Gaslighting gesundheitlichen Schaden davontragen müssen. Vielleicht trägt dieses Interview etwas zur Aufklärung über Gaslighting bei.

Das wird es sicher. Dann bedanke ich mich für deine offenen, wenn teils auch sehr schockierenden Worte und Darstellungen und wünsche dir und deinem Nachwuchs alles erdenklich Gute!

Ich bedanke mich auch.

Fazit: Meine Reflektion – bin ich ein Gaslighter?

Gaslighting ist in Liebesbeziehungen, aber auch im Beruf zu finden. Selbst auf institutioneller Ebene tritt Gaslighting in Erscheinung – und kann dort beispielsweise in Form von Massensuiziden in Kulten oder Sekten zu einem besonders drastischen und fatalen Ende, zu traurigen menschlichen Einzelschicksalen führen.

Wie am Beispiel von Jasmin W. zu sehen ist, kann ein jeder ganz plötzlich und unbewusst in die Gaslighting-Falle geraten, aus der es nur ein Entkommen gibt, wenn man die eigene Situation erkennt, sie akzeptiert, annimmt und den Willen aufbringt, den Kampf anzunehmen. Doch dafür braucht es Wissen über Ablauf und Mechanismen von Gaslighting.

Bedenke daher wesentliche Gaslighting-Abläufe und -Hinweise:

  1. Gaslighter suchen sich ein „Opfer“ oder eine ganze Gruppe, die ihrem Problem entsprechen oder ihrem Zielvorhaben nützlich sind.
  2. Gasligher schaffen zuallererst eine Vertrauensbasis und/oder stärken ihre Autorität.
  3. Gaslighter agieren destruktiv und versuchen permanent, den Fokus auf deine Fehler und Schwächen (auch wenn diese im Grunde gar nicht existieren) zu legen, um sich selbst als „Retter in der Not“ darzustellen und dir ein notwendiges Abhängigkeitsverhältnis zu suggerieren.
  4. Gaslighter versuchen meist, dich weitestgehend zu isolieren, um sicherzustellen, dass die Kommunikation von dir nach außen zu anderen Personen und umgekehrt immer über ihn abläuft, sodass du dir niemals über alle Fakten oder die gesamte Wahrheit bewusst bist und er einen Informationsvorsprung hat.

Für mich persönlich war es besonders interessant, aber auch etwas erschreckend in meiner Reflektion zu erkennen, dass auch ich – vollkommen unbewusst – in meiner Kommunikation hin und wieder Aussagen tätigte, die mein Gegenüber, sofern ich derlei Aussagen öfter getätigt hätte, als Gaslighting hätte verstehen können. Bei einer Person habe ich mich deswegen sogar kürzlich entschuldigt.

Ohnehin ist aber auch Marketing, ist Werbung de facto nichts als Manipulation. Allerdings ist es aus meiner Sicht gerade deswegen von zentraler Bedeutung, sich immer wieder zu hinterfragen, zu reflektieren und seinen eigenen moralischen Kompass, wenn nötig, neu auszurichten. Denn das Online-Marketing von impulsQ soll niemandem schaden – ganz im Gegenteil. Dafür stehe ich ein.

Weitere interessante Artikel in unserem Magazin.

blank Martin Brosy
Ich bin vielleicht nicht SEO der ersten Stunde, aber zumindest schon seit 2010 mit von der Partie. Seitdem hat sich im Online Marketing viel getan. Google avanciert von Jahr zu Jahr zu einer Suchmaschine, die den Nutzer immer besser versteht. Search Experience Optimization wird komplexer und sollte als Teildisziplin immer mit am Tisch sitzen. Damit ich den Wandel nicht verschlafe und für unsere Kunden adäquat arbeiten kann, halte ich im Jahr weit mehr als zehn Vorträge zu den Themen Online Marketing und Content Distribution, lasse meine Expertise zertifizieren und schreibe regelmäßig hier im MEGA-Magazin. Privat mache ich gerne Ausdauersport, schaue jedes Rennen unserer deutschen Biathleten und bin Papa einer kleinen Tochter.