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Storytelling vs. Content-Design: Du musst Dich entscheiden!

Superheld:in, Weltraumpilot:in, Cowboy und Indianer oder selbst erdachte Rollen und Figuren, Kinder erschließen sich die Welt auf verschiedene Art und Weise. Aus pädagogischer Sicht sind Rollenspiele sogar äußerst wertvoll, denn Fantasie und Imagination sollen nicht nur die Kreativität fördern, sondern auch helfen, die verschiedensten Lebensbereiche besser zu verstehen – und in ihnen mitunter Neues, Nützliches und Interessantes zu entdecken. In gewisser Hinsicht gilt dies aber nicht nur für Heranwachsende.

Die Gattung Mensch hat zu Anbeginn ihrer Existenz, weit bevor Sprache und Wissen sich ausprägten, ebenso durch fiktive oder tatsächlich erlebte Geschichten versucht, sich die eigene Lebenswelt zu erklären. Noch heutzutage hat sich daran im Grunde nicht allzu viel geändert, was der Grund ist, weswegen Storytelling im Marketing – wenn denn richtig umgesetzt – sehr gut funktioniert.

Mit Blick auf das gegenwärtige Content-Marketing und den Prinzipien des Content-Designs scheint sich allerdings ein Problem aufzutun. Bekanntermaßen sind weder Google noch Google-Nutzer:innen große Fans langer, unstrukturierter Fließtexte. Woraus aber setzt sich eine besonders anschauliche und fesselnde Geschichte zusammen? Genau, aus vielen Wörtern, die zusammen eben jenen unbeliebten Fließtext ergeben. Muss also jede Storytelling-Kampagne ein schlechtes Content-Design vorweisen bzw. folgt aus visuell ansprechend aufbereiteten Texten das Fehlen einer spannenden Story?

STORYTELLING BRAUCHT GUTES VISUELLES CONTENT-DESIGN

Der kleine, aber entscheidende Unterschied zwischen Fakt und Erzählung

Natürlich geht es mir in diesem Artikel nicht um evolutionäre Erkenntnisse, sozialpädagogische Analysen und einen literaturwissenschaftlichen Diskurs, sondern um Online-Marketing. Genau genommen um der Vergleich Storytelling vs. Content-Design. Aus dieser Perspektive will ich folgend der so simpel erscheinenden Frage nachgehen, was Fakt und Erzählung unterscheidet. Anders gefragt: Warum hat ein informierender Text nichts mit einem erzählenden Text, mit Storytelling zu tun?

Zielsetzung und Kriterien informierender Texte

Was nämlich will ein informierender Text? Richtig, Leser:innen Sachinformationen übermitteln. Wenn Du jetzt einmal darüber nachdenkst, was angesichts dieses Ziels an formalen und sprachlichen Kriterien zielführend ist, dann dürfest Du zu dem Ergebnis kommen, dass der Text möglichst prägnant ausformuliert sein sollte, beschränkt auf die wesentlichen und relevanten Details, so wenige Wörter wie möglich, so viel wie nötig. Bestenfalls wird der Text derart formatiert, dass sich die wichtigsten Informationen selbst ohne Lesen des gesamten Textes abrufen lassen, beispielsweise über eine Auflistung der zentralen Informationen in Form von Bulletpoints.

Zielsetzung und Kriterien erzählender Texte

Worauf zielt hingegen ein erzählender Text als Content ab? Eines will er ganz sicher nicht – und zwar informieren. Stattdessen beabsichtigt er, eine spezifische Wirkung auf Leser:innen zu erzielen. Dies kann eine schlussfolgernde Erkenntnis sein, beispielsweise dass eine bestimmte Ernährungsweise für ihn oder sie ja viel gesünder sei, aber auch ein neues Bedürfnis, etwa dass im eigenen Schuhschrank bislang ein unverzichtbares Paar weißer Sneaker einer bestimmten Marke fehlte, sogar neue Ängste und Sorgen, zum Beispiel vor konkurrierenden Dienstleistern, die das eigene Business in Kürze und ganz bestimmt vom Markt drängen werden, wenn man nicht zügig ein bestimmtes Coaching bucht.

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Worauf zielt hingegen ein erzählender Text ab? Eines will er ganz sicher nicht – und zwar informieren. Stattdessen beabsichtigt er, eine spezifische Wirkung bei Leser:innen zu bewirken. Ich finde Storytelling ist schon ein hohes Content-Marketing Niveau.

Diese und ähnliche Effekte können anders als beim informierenden Content aber nicht über konkrete Faktennennung erzielt werden. Wie sollte dies auch aussehen? „Du musst das neue iPhone-Modell kaufen. Es ist mit besserer Technik und weiterentwickelten Funktionen als das vorherige iPhone ausgestattet. Mobiles Surfen und Telefonieren sind weiterhin möglich.“ Um von einem Kauf zu überzeugen, ist dieser Text offensichtlich ungeeignet.

Wer sich für Fakten und Produktinformationen interessiert, würde in diesem Fall einfach das Datenblatt lesen. Außerdem wären die technischen Unterschiede, läge man neben das jüngste Apple-iPhone die neusten Smartphone-Modelle anderer bekannter Marken, nicht allzu bedeutsam – zumindest für die meisten nicht in einem Maße, als dass sie tatsächlich kaufentscheidend wären. Dies scheinen auch Marken und Hersteller selbst so zu sehen, wie ich in diesem Artikel über Brand Storytelling einst aufzeigte.

Handlungen wie ein Produktkauf, speziell solcher Waren, deren Angebotsvielfalt groß ist, lassen sich nun einmal kaum über eine direkte Aufforderung oder Nennung sachlicher Fakten auslösen. Möglich wird dies stattdessen, wenn dieser Affekt aus den Leser:innen selbst entwickelt wird. Dafür braucht es wiederum die richtigen Worte, die im Gegensatz zu den sprachlichen und formalen Aspekten informierender Inhalte in einen möglichst zusammenhängenden, konsistenten, deskriptiven Text überführt werden, der letztlich mehr Fiktion als Fakt darstellt.

Storytelling vs. Content-Design: Unterscheidende Kriterien informierender und erzählender Texte

Nun etwas konkreter und praxisnaher hingeschaut, ergeben sich aus den obigen Ausführungen wesentliche Aspekte für den modernen Content, mit denen sich beide Textformen identifizieren lassen. Daraus wiederum ergeben sich interessante Erkenntnisse für Dein Online- bzw. Content-Marketing bzw. Storytelling und Content-Design.

Kriterium Informierende Texte Erzählende Texte
Ziel– Leser:innen zügig informieren– Bei Leser:innen eine spezifische Wirkung erzielen
Sprache– Simpel und verständlich
– Prägnante, klare Aussagen
– Sachlich
– Beschreibend und detailliert
– Umschweifend und ausführlich
– Affektiv, mitunter abstrakt
Form– Strukturiert, das Wichtigste zuerst
– So lang wie nötig, so kurz wie möglich
– Möglichst wenig Fließtext
– Kerninformationen sind bestenfalls ohne vollständiges Lesen erfassbar
– Zusammenhängend, möglichst ununterbrochener Textfluss
Inhalt– Fakt– Fiktion
FormateNachrichten, Pressemitteilungen, Ratgeber, Testberichte, Analysen, Schritt-für-Schritt-AnleitungenProduktbeschreibungen, Rezensionen, Erfahrungsberichte
Tabelle: Anhand dieser Kriterien lassen sich informierende und erzählende Texte unterscheiden.

Womöglich wirst Du beim Lesen der Tabelle eine zumindest teils andere Meinung haben, was die Beispieltextgattungen in der Rubrik Formate anbelangt – und dies durchaus mit Recht und meiner Zustimmung. Denn mit Ausnahme von Nachrichten ist es sicherlich möglich, nahezu jeden Punkt auch in die entgegengesetzte Gruppe einzuordnen. Eine Produktbeschreibung kann relativ nüchtern und faktenorientiert ausformuliert sein, sie könnte allerdings auch erzählerische Stilelemente vorweisen.

Dazu werde ich im Folgenden zwei Beispiele vorstellen, die jeweils eine vornehmlich informierende sowie eine erzählerische Produktbeschreibung (kann für jede Form von Content verwendet werden) darstellen. Welche Variante findest Du gelungener? Anders gefragt: Welche Produktbeschreibung könnte aus Deiner Sicht besser geeignet sein, um Leser:innen und somit potentielle Käufer:innen vom Produkt zu überzeugen und zum Handeln, also zum Kauf bewegen?

Storytelling gegen Content-Design: informierende Produktbeschreibungen im Content-Marketing

Definitiv vom skandinavischen Stil inspiriert, hat dieses Sofa alles, was es braucht. Eine bequeme und weiche Sitzfläche, eine widerstandsfähige Rückenlehne und eine geräumige Aufbewahrungsbox. Verliebe dich in die eleganten und vornehmen Linien dieses nordischen Sofas, ideal für ein schickes und modernes Wohnzimmer. Es wird Charme und Gemütlichkeit in dein Interieur bringen (…)“

(Quelle: wayfair.de / Ecksofa Brunner)

Beispiel: erzählerische Produktbeschreibung

„Stell Dir vor, Du spazierst durch einen Obstgarten. Du steckst Dir die saftigsten Blaubeeren direkt vom Strauch in den Mund. Schön, oder? Doch dann dämmert es Dir: Der Garten ist nicht öffentlich zugänglich. Und das Loch im Zaun war wohl auch nicht der offizielle Eingang. Im nächsten Moment stampft ein Obstbauer mit zerknirschtem Gesicht auf Dich zu. Und jetzt: schnipp. Du bist zurück in der Realität. Kein Obstgarten weit und breit. Aber keine Sorge, wir haben da was für Dich: diesen Smoothie mit aromatischen Beeren, saftigen Pfirsichen und köstlichen Äpfeln. Er schmeckt wie frisch aus dem Obstgarten. Und Du musst nicht einbrechen, um ihn zu genießen. Erhältlich in der 250-ml-Flasche.“

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(Quelle: innocentdrinks.de / Smoothie Blaubeere, Pfirsich, Apfel)

Storytelling gegen Content-Design: Die eine optimale Produktbeschreibung gibt es nicht

Und, welche Produktbeschreibung hat Dich mehr überzeugt? Höchstwahrscheinlich die zweite Variante mit Storytelling-Elementen, richtig? Das ist nicht überraschend, denn wie ich bereits erwähnte, ist dies auch das Ziel. Erzählerische Texte wie diese Produktbeschreibung sollen ja gerade kurzweilig sein, unterhaltsam wie eine gute Geschichte. Dies ist in diesem Fall in wenigen Worten gelungen.

Aber welche Informationen haben wir über das Produkt erhalten? Im Grunde nur wenige. Wir wissen, welches Obst enthalten und wie viel Inhalt in der Flasche ist. Erst über weitere klickbare Reiter ist es möglich, detaillierte Produktinformationen abzurufen, in diesem Fall über die genauere Zusammensetzung der Inhaltsstoffe, Nährwertangaben und Nachhaltigkeitsaspekte. Der Fokus liegt aber eindeutig auf der fiktiven kurzen Beschreibung.

Ganz anders sieht es im ersten Beispiel aus, der Produktbeschreibung eines Ecksofas. Eine Geschichte im eigentlichen Sinne ist im Beschreibungstext nicht zu erkennen. Zwar wird ansatzweise auch versucht, ein lebhaftes, assoziatives Sprachbild zu kreieren, letztlich werden aber vordergründig Fakten aufgeführt. Dafür gibt es allerdings zusätzliche und ausführliche Produktinformationen, was Maße, Gewicht, Farbvarianten usw. anbelangt, mitunter sogar simpel und anschaulich in Listenform.

Storytelling gegen Content-Design: Beide Storytelling Varianten dürfen sein

Ich behaupte, dass beide Varianten einer Produktbeschreibung ihre Daseinsberechtigung haben – und mal besser als informierender Text, mal besser als erzählerischer Text umgesetzt werden sollten.

In dem obigen Beispiel befanden wir uns jeweils in einem Online-Shop, genauer auf einer Produktseite. Für gewöhnlich sind – aus SEO-Sicht – Produktseiten der unteren Stufe des Marketing-Funnels zugeordnet, soll heißen, dass ein Großteil der Besucher:innen bereits eine konkrete Kaufabsicht hat und kurz vor Kaufabschluss steht. Für Produktbeschreibungen müsste also die Frage gestellt werden, wie potenzielle Käufer:innen zum letzten Schritt motiviert werden können.

Storytelling gegen Content-Design: Unterschiedliche Storytellings

Bei einem Sofa sind in der Regel Sachinformationen wie Maße, Farbe, Stoffe usw. von primärem Interesse, denn stimmen diese nicht mit den Vorstellungen von Interessent:innen überein, wird selbst der überzeugendste Beschreibungstext keinen Kauf bewirken.

Beim Smoothie sieht dies anders aus. In unserem Beispiel ist davon auszugehen, dass es relativ einfach wäre, ein ähnliches Produkt derselben Geschmacksrichtung zu finden, eventuell sogar mit mehr Inhalt zum kleineren Preis. Für einen Kauf sind in diesem Fall also die harten Produktinformationen von nachrangigem Interesse. Was aber ist stattdessen entscheidend? Nun, dies zu recherchieren und anhand einer Zielgruppe zu analysieren, wäre Aufgabe eines Marketing-Teams. Hier soll eher die Erkenntnis festgehalten werden, dass eine gute Erzählung über Produkt und auch Marke bzw. Hersteller oftmals verkaufsfördernder ist als eine Auflistung von Produktinformationen, sofern diese sich kaum von vergleichbaren Konkurrenzprodukten unterscheiden.

Allgemein formuliert bedeutet dies also, dass die Frage, ob ein Text eher informierend oder doch erzählend umgesetzt werden sollte, unter anderem davon abhängt, auf welcher Stufe des Marketing Funnels Dein Content eingeordnet wird, welche Zielgruppe er hauptsächlich anspricht, welche Produkteigenschaften vorhanden sind und ob diese zur Überführung in die nachfolgende Stufe des Funnels eher informiert oder unterhalten werden muss.

Fazit: Storytelling braucht gutes visuelles Content-Design

Zugegeben, die Überschrift dieses Artikels wurde von mir etwas zugespitzt. Natürlich schließen sich Storytelling und ein ansprechendes Content Design nicht vollständig aus, wie im obigen Beispiel von innocentdrinks.de belegt ist. Mir ging es in diesem Beitrag darum, Dir zu verdeutlichen, dass Content als geschriebener Fließtext nicht per se schlecht sein muss, wie es im gegenwärtigen Online-Marketing oftmals behauptet wird. Gerade beim Storytelling kann ein ausformulierter Text sogar unabdingbar sein – außer Du bewegst Dich eher im Videosegment. Letztlich kommt es aber wie immer darauf an, Deine Zielgruppe zu verstehen, um Sie mit dem richtigen Format zu erreichen.

Martin Brosy
Ich bin vielleicht nicht SEO der ersten Stunde, aber zumindest schon seit 2010 mit von der Partie. Seitdem hat sich im Online Marketing viel getan. Google avanciert von Jahr zu Jahr zu einer Suchmaschine, die den Nutzer immer besser versteht. Search Experience Optimization wird komplexer und sollte als Teildisziplin immer mit am Tisch sitzen. Damit ich den Wandel nicht verschlafe und für unsere Kunden adäquat arbeiten kann, halte ich im Jahr weit mehr als zehn Vorträge zu den Themen Online Marketing und Content Distribution, lasse meine Expertise zertifizieren und schreibe regelmäßig hier im MEGA-Magazin. Privat mache ich gerne Ausdauersport, schaue jedes Rennen unserer deutschen Biathleten und bin Papa einer kleinen Tochter.

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